Archiv für den Monat: Juni 2024

Der mit dem Wolf zahlt – Ungewöhnliche Kleinsilbermünzen aus Kleinasien

Mittwoch · 17.07.2024 · 18:00 Uhr
Dr. Katharina Martin (Forschungsstelle Antike Numismatik der Universität Münster)
kelten römer museum manching · Im Erlet 2 · D-85077 Manching

Im 4. Jahrhundert v. Chr. kam es in der antiken Welt zu einem enorm gestiegenen Bedarf an Kleingeld, da sich die Nutzung von Münzen auch im Alltag immer mehr durchsetzte. Vielerorts begann man daher mit der Ausgabe von Kleinsilbermünzen für den täglichen Gebrauch. Besonders in Kleinasien und in der Levante finden wir eine Vielzahl an kleinen Prägungen mit zum Teil ganz neuen und künstlerisch innovativen Bildern. Meist fehlen Aufschriften, so dass es nicht immer einfach ist, die jeweiligen Münzstätten zu bestimmen. Diese Münzen mischten sich im Umlauf, was für wirtschaftlichen Austausch und rege Handelskontakte spricht.

In ihrem reich bebilderten Vortrag präsentiert Katharina Martin eine besondere Gruppe dieser sehr kleinen Münzen. Die sogenannten Obolen zeigen auf ihren Rückseiten allesamt das Vorderteil eines Wolfs. Dies ist ungewöhnlich, denn der Wolf war in der griechischen Antike wie in der europäischen Neuzeit eigentlich ein Tier, das wenig positive Assoziationen weckte. Wer also produzierte die Münzen mit dem Bild eines unbeliebten Tieres und wo waren sie in Gebrauch?

Die Spur führt nach Laranda, in das heutige Karaman in der Türkei. Von der antiken Geschichte der Stadt wissen wir vergleichsweise wenig. Wie in Rom, wo die Römische Wölfin (lupa Romana) untrennbar mit dem Gründungsmythos verbunden war, diente der Wolf auch in Laranda dem Ausdruck einer kollektiven Identität: Er steht hier für Lykaonien, eine zwar fruchtbare, aber etwas abgelegene Landschaft im Hinterland des südlichen Kleinasiens, deren Zentrum Laranda war. Der Name »Lykaonien« leitet sich von lykos ab, dem griechischen Begriff für »Wolf«. Verschiedene Legenden nahmen Bezug auf die »wölfische« Vergangenheit der Region. Was sich aus den winzigen numismatischen Objekten an wirtschaftsgeschichtlichen und produktionstechnischen Aspekten herauslesen lässt, stellt Katharina Martin ebenso vor wie Neues zur Stadtgeschichte.

Die Dauerausstellung des krm ist am 17.07.2024 bis zum Beginn der Veranstaltung geöffnet. Eine Anmeldung zum Vortrag ist nicht erforderlich.

Abbildung: Obol des lykaonischen Laranda mit Wolfsprotome
© Münze: Privatsammlung / Foto: Katharina Martin · Hintergrund: pixabay.com / ZAIDoopro
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Alexandria Troas und die Goten: Münzschätze und -imitationen des 3. Jahrhunderts n. Chr.

Donnerstag · 20.06.2024 · 18:00 Uhr
Tobias Esch M.A. (kelten römer museum manching)
Barocksaal des Stadtmuseums Ingolstadt · Auf der Schanz 45 · D-85049 Ingolstadt

Im 3. Jahrhundert n. Chr. wurden die Ostprovinzen des Römischen Reiches von massiven Raubzügen der Goten überrollt. 262 n. Chr. verwüsteten die »Barbaren« offenbar auch die bedeutende Hafenstadt Alexandria Troas im nordwestlichen Kleinasien (Türkei). Dies lassen bereits Ausbesserungen an den städtischen Wehrbauten und eine merkwürdige Passage im Werk des gotisch-römischen Geschichtsschreibers Jordanes vermuten.

Tobias Esch begibt sich in seinem kostenfreien Vortrag auf eine spannende Spurensuche nach weiteren Hinweisen auf das katastrophale Ereignis: Wichtige Indizien liefern zunächst mehrere zeitgenössische Münzschätze aus Alexandria Troas und dem direkten Umland. Der wohl bedeutendste Hort umfasst 339 Prägungen, die gemeinsam mit dem Skelett einer jungen Frau im Schacht einer antiken Kanalisation unter dem alexandrinischen Forum zutage traten. Vermutlich handelte es sich bei der Frau um die frühere Besitzerin der Münzen. Wollte sie sich vielleicht mit ihrem Barbesitz vor den Goten in Sicherheit bringen? Stürzte sie beim gefährlichen Abstieg in den Schacht zu Tode, oder kam sie auf andere Weise im Abwasserkanal ums Leben?

Anscheinend plünderten die Goten auch die Münzstätte von Alexandria Troas und erbeuteten dabei städtische Prägestempel, um sie später zur Herstellung von »barbarischen« Imitationen zu nutzen. Diese wurden – im Gegensatz zu den alexandrinischen Provinzialprägungen – nicht etwa in Bronze, sondern in Gold ausgeführt. Lange Zeit waren nur Exemplare ohne gesicherte Herkunft bekannt. 2013 und 2015 konnten Sondengänger aber immerhin zwei Bodenfunde in der (nord-)westlichen Ukraine aufspüren, zur fraglichen Zeit Siedlungsraum gotischer Stämme. Gleichwohl bleiben die antiken Imitationen bis heute äußerst selten und damit wertvoll, so dass sie inzwischen ihrerseits von modernen Nachahmungen bzw. Fälschungen betroffen zu sein scheinen.

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