Mittwoch · 22.03.2023 · 18:00 Uhr
Dr. Stephan Berke (Universität Trier)
Im westfälischen Haltern am See bestanden unter Kaiser Augustus mehrere römische Militäranlagen an der Lippe. Sie waren für die Eroberungspläne im rechtsrheinischen Germanien von großer Bedeutung. Hervorzuheben ist das sogenannte Hauptlager, in dem eine Legion stationiert war, aber wohl nicht immer in voller Truppenstärke. Zumindest zeitweise handelte es sich dabei um die 19. Legion, die im Jahr 9 n. Chr. in der berühmten Varusschlacht im saltus Teutoburgiensis untergehen sollte.
In Haltern ist es gelungen, entlang einer römischen Straße südwestlich des Hauptlagers eine Nekropole mit über 100 Gräbern aus der Zeit des Augustus aufzudecken. Sie ist in ihrer Zeitstellung und Geschlossenheit ohne Beispiel. Es gibt zwar einige augusteische Grabfunde aus dem Rheinland, etwa aus Köln, Xanten oder Trier. Doch sind geschlossene augusteische Friedhöfe – auch aus dem weiteren Gebiet des römischen Imperiums – bislang nicht bekannt.
Die Bestattungen und Grabbauten von Haltern stehen in der Tradition italischer Nekropolen. Dieser Umstand überrascht nicht, denn bei den meisten Truppenangehörigen in Haltern handelte es sich um Personen aus dem italischen Kulturkreis, die ihre Grabsitten und ihre Vorstellungen vom Aussehen ihrer Gräber mitbrachten und versuchten, diese mit dem am Ort vorhandenen Material umzusetzen. Gallische oder germanische Komponenten, die auf Hilfstruppen hinweisen könnten, sind bislang noch nicht sicher auszumachen. Die Beigabensitten sind recht uniform und lassen sich durchaus mit Gräbern der gleichen Zeitstellung aus anderen Nekropolen des Imperiums vergleichen. Die römischen Gräber in Haltern sind Bestandteil einer italisch geprägten Grabkultur inmitten eines völlig fremden Kulturraumes.
Als herausragende Beispiele des mediterranen Einflusses dürfen Bruchstücke von filigraner Knochenschnitzerei gelten, die teils mit Blattgold und Glaseinlagen verziert sind und einst sogenannte Klinen schmückten. Auf solchen Liegen hat man die Verstorbenen verbrannt und den Leichenbrand dann in Urnen bestattet. In mühevoller Detailarbeit hat ein Team der LWL-Archäologie für Westfalen und der Universität Trier Tausende Beinfragmente gesichtet, dokumentiert und zugeordnet, um mithilfe von Scans, CAD-Software und 3D-Druckverfahren die beeindruckende Rekonstruktion einer Kline zu erstellen.
Die aktuelle Sonderausstellung »Im Dienste Roms – Legionen und Hilfstruppen« ist am 22.03.2023 bis zum Beginn des Vortrages von Herrn Berke geöffnet. Eine Anmeldung zur Veranstaltung ist nach aktuellem Stand nicht erforderlich.